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Die Europäische Union entfernt sich zunehmend von denen, für die sie
geschaffen wurde
Wien - Das vergangene Jahr hatte für die EU existenzbedrohende Krisen parat. Wir
sollten diese aber als Chance verstehen und die EU im heurigen Jahr 2017
demokratischer und ökologischer machen, meint Greenpeace-Geschäftsführer
Alexander Egit.
Immer mehr Menschen merken, spüren, wissen es: Die Europäische Union entfernt
sich zunehmend von denen, für die sie geschaffen wurde: den mehr als 500
Millionen Europäern. Symptom und Ursache sind dort vereint, wo Machthaber die EU
in Brüssel genauso wie in den Hauptstädten der Mitgliedsländer für ihre
Eigeninteressen missbrauchen. Die Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten spielen
dabei ein Doppelspiel: Sie schieben der EU für alles die Verantwortung zu,
übernehmen selbst jedoch keine. Populistische Politiker hetzen Menschen
gegeneinander und alle gegen "Brüssel" auf.
Vom Problem ...
Das vergangene Jahr war nicht gerade arm an Ereignissen, die diese Diagnose
untermauern. Zum Beispiel die Diskussion und Entscheidungsfindung beim
EUKanadaHandelsabkommen Ceta. Hier wurden erprobte demokratische Spielregeln
verbogen und teilweise gebrochen. Für ein Abkommen, dass mittels Mechanismen wie
unter anderem Sonderklagerechten für Konzerne eben diesen überproportionalen
Einfluss weiter ausbauen soll. In einer öffentlichen Debatte, in der an den
jeweiligen ideologischen Rändern wenig Platz für Fakten, dafür umso mehr für
politischen Spin und Storytelling mit kreativer Wirklichkeitsinterpretation war,
darf dazwischen offenbar nichts existieren. Nimmt man eine kritische, aber
konstruktive Haltung zu Freihandel ein, wie zivilgesellschaftliche Player wie
Greenpeace oder die Regionalregierung der belgischen Wallonie, wird man im
besten Fall den Blockierern, im schlechtesten Fall den Populisten und
Extremisten zugeordnet.
Gerade weil sich JeanClaude Juncker, Angela Merkel, Sigmar Gabriel & Co. (nicht
nur hier) nicht moderierend, sondern vielmehr wie ein verlängerter Arm der
Partikularinteressen multinationaler Konzerne verhalten haben, haben sie ihre
Glaubwürdigkeit verloren. Ihr wirtschaftspolitischer Kurs nützt allen voran den
Interessen der Finanzindustrie und der Konzerne. Banken werden gerettet,
Menschen werden im Stich gelassen. Das gilt auch für die Chemie und
Agrarindustrie oder für Energiekonzerne. Schlimmer noch, liefern die
EU-Machthaber doch so den destruktiven Kräften in Europa eine weitere
Steilvorlage für die Verbreitung ihrer Ideen: Isolationismus,
ReNationalisierung, EUAustritt.
Für den Brexit werden die Briten einen hohen Preis zahlen. Und dennoch: Wenn
sich die EU nicht grundlegend ändert, wird sie weitere Austritte provozieren.
Ist sie bald auf ein Kerneuropa einiger weniger Staaten reduziert? Das wäre
fatal, denn die EU ist unverzichtbar aus friedenspolitischer,
demokratiepolitischer, ökonomischer, sozialer und ökologischer Sicht. Ohne ein
starkes, geeintes Europa fehlt vor allem den kleineren europäischen Staaten in
einer immer stärker globalisierten Welt das nötige Gewicht, um die hart
erkämpften ökologischen, sozialen oder demokratiepolitischen Standards zu
erhalten oder auszubauen.
... zur Lösung
Die Menschen müssen die EU wieder an sich reißen. Wichtige Entscheidungen dürfen
wir nicht den politischen und großindustriellen Machteliten in Brüssel und in
den Hauptstädten der Mitgliedsländer überlassen. Dafür muss die Bevölkerung der
EU formale Initiativ und Mitbestimmungsrechte bekommen. Instrumente, die nur
scheinbar Partizipation fördern, wie die "Europäische Bürgerinitiative" müssen
wir grundlegend reformieren. Wir müssen die Regierung der EU, die EU-Kommission,
direkt wählen können und das EU-Parlament stärken. Wir brauchen eine
Europäische Union, die ihre Lähmung überwindet und große Projekte entschlossen
vorantreibt. Die europäische Energiewende als größtes Investitions und
Friedensprojekt des 21. Jahrhunderts würde die Europäer unabhängig von Russland
und den Ölscheichs machen. Wir sollten weltweit Handelsabkommen schließen, die
demokratisch entstanden und fair gestaltet sind. Wir müssen die Herausforderung
der Flüchtlingskrise annehmen und mit größter Entschlossenheit dazu beitragen,
dass Fluchtursachen wie Klimawandel oder Wasserarmut bekämpft werden. Wir
sollten die Krise der EU als Chance verstehen, sie der Konzernmacht und ihren
politischen Handlangern zu entreißen und zu einer EU der Menschen umzubauen.
2017 haben wir viel zu tun. (Greenpeace)
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